Ich möchte von einem einschneidenden Erlebnis aus meinem 2. Klinikaufenthalt berichten. Im Laufe meiner stationären Therapie ging es mir immer schlechter. Meine Selbstzweifel, meine Selbstverachtung, negative Gedanken und negative Emotionen kletterten auf ein nie geahntes Level.
Ich fühlte mich von Tag zu Tag schlechter und kam aus eigener Kraft nicht mehr aus diesem tiefen dunklen Loch. Nach einem schlechten Wochenende mit wenig Schlaf, dunklen und gefährlichen Gedanken, kam ich mir vor, wie ein emotionales Wrack. Ich beschloss, mich meiner Therapeutin zu öffnen und Ihr meine Gedanken und Emotionen mitzuteilen. Insgeheim hoffte ich, das Sie helfen würde.
Während der darauffolgenden Therapiestunde erklärte ich Ihr meine Situation und das es mir nicht mehr möglich sei, aus eigener Kraft aus diesem Loch zu kommen. Nach einigen Überlegungen macht Sie mir einen Vorschlag. Sie wollte dieses Thema mit in die Gruppentherapiestunde nehmen. Mit Hilfe der Mitpatienten wollte sich versuchen, mir einen anderen Blickwinkel auf meine Gedanken und Emotionen zu geben.
Zuerst war ich davon wenig angetan. Wieder kamen diese schlimmen Selbstzweifel. Kann ich anderen Menschen meine Probleme offenbaren? Sie dann auch noch um Hilfe bitten? Wie soll das gehen? Würden oder Können sie mir überhaupt helfen? Viele, viele Fragen auf die ich da noch keine Antwort bekam. Aber ich traute mich und wollte es versuchen.
Am Nachmittag war es dann soweit. Nachdem alle eine kurze Einschätzung Ihrer eignen momentanen Gefühle und Gedanken gemacht hatte, wurde mein Thema erklärt.
Meine Therapeutin wollte, nachdem Sie der Gruppe meine momentane Stimmung, meine Selbstzweifel und meine Selbstverachtung erklärt hatte, meine Mitpatienten dazu nutzen mir ein positives Feedback zu geben. Alle in der Gruppe sollten offen sagen, welche positiven Dinge Sie an mir schätzen und achten.
Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken das „andere“ sich ein Urteil über mich erlauben würden. Wie sollte ich das aushalten? Was würde ich machen, wenn jemand was Schlimmes über mich sagt? Was würde ich machen, wenn ich merken würde, dass mich jemand nicht mag?
Wieder kamen diese Fragen, mein Kopf war voll davon. Meine Selbstzweifel, diese elende Abwertung meiner eigenen Person und meiner Fähigkeiten waren wieder voll da.
Es wurden damals alle Aussagen von der Therapeutin auf ein Flip-Chart geschrieben. Dieses hängt noch heute in meinem Wohlfühl-Zimmer, immer wenn es mir schlecht geht, schaue ich mir diese vielen schönen und aufmunternden Sätze an. Dann geht es mir wieder besser und ich merke, dass nur ich mich selber schlechtmache und rede. Dass meine Gedanken und Gefühle nur in meinem Kopf negativ bewertet werden.
Ich habe ein paar dieser Sätze mal abgeschrieben:
- Du bist ein lieber und einfühlsamer Mensch
- Du bist ein Mensch der zuhören kann
- Du bist sensibel
- Du bist sehr hilfsbereit
- Du bist verletzlich (andere Schicksale nehmen dich mit)
- Du traust dir weniger zu, als du könntest
- Du bist mehr wert als manch anderer Mensch
- Du bist mutig (z.b hier das Thema mit der Gruppe zu behandeln)
- Du bist vielseitig
- Du bist intelligent
- Du bist jedem und allen gegenüber Aufgeschlossen
- Du hast keine Vorurteile, fremden gegenüber
- Du bist ein Perfektionist
- Wenn du etwas machst, dann richtig, oder gar nicht
- Du traust Dir Veränderungen zu
- Ich bewundere dein Mut, neuem Gegenüber
Jedes Mal wenn ich diese Sätze auf dem großen Zettel lese, breitet sich in mir ein gutes Gefühl aus. Manchmal muss ich einfach nur weinen, wenn ich daran zurückdenk, wie jeder was dazu gesagt hatte. Es war damals die erste Gruppenstunde in der ich, gerade ich, meine Emotionen zugelassen habe. Ich hatte damals meine „Maske“ abgesetzt und habe angefangen zu weinen. Vor anderen Menschen weinen. Das war, bis dahin, für mich nicht denkbar.
Ich war und bin einfach nur dankbar, über diesen schönen Moment. Noch heute wird mir warm und kalt, wenn ich daran denke. Trotzdem fällt es mir noch immer schwer, offen über mich, meine Gefühle und meine Emotionen zu sprechen. Meistens habe ich dabei meine perfekt sitzende Maske auf, damit bloß niemand merkt wie es mir wirklich geht.
Ich bin mit einigen Patienten aus diesem Aufenthalt in einer WhatsApp Gruppe. Jedes Mal, wenn es einem schlecht geht, hat er die Möglichkeit sich von den andern in der Gruppe positives Feedback zu holen. Es ist immer wieder aufbauend und schön etwas Positives von anderen Menschen zu hören oder zu lesen. Wenn Ihr die Möglichkeit habt, das auch zu machen, ich kann euch nur dazu raten. Mir haben diese Rückmeldungen, viele Tage und Stunden, in meiner Schwarzen Welt erspart.
Dafür bin ich dankbar.
Ich habe leider keine Menschen mehr die mir ein positives Feedback geben können .keine Freunde mehr , keine Arbeit mehr und nun auch meine Tochter verloren…
Nur das zum Thema man macht sich nur selbst schlecht. Bei mir leider auch meine Tochter die mich immer wieder beleidigt und erniedrigt